Die kleinste Füllung bei Höchstgeschwindigkeit ist bei Zweizylindermaschinen im Allgemeinen höher als bei Loks mit mehr als zwei Zylindern, weil die Massen des Triebwerks dort einfach eine gleichmäßigere Beanspruchung hervorrufen als bei einem Zweizylindertriebwerk. Die 44 ließ sich, zumindest nach Aussagen eines Lokführers im EK-Buch "Eisenbahn in Ehrang", wohl auch bei 80km/h noch mit 22% Füllung dauerhaft ohne negative Auswirkungen betreiben. Bei Zwillingen sollte man bei Höchstgeschwindigkeit keinesfalls unter 30% Füllung gehen, bei Drillingen sagt man allgemein mindestens 25%. Ausnahmen bestätigen, wie bei der 44 gesehen, natürlich die Regel.
Angefahren wird mit geringem Schieberkastendruck ( Regler ) und größter Füllung, die bei P- und S-Loks spätestens bei 10km/h, bei G-Loks spätestens bei 5km/h zurückgenommen wird. Der Verlauf der Füllung über die Geschwindigkeit ist auf den von detman gezeigten ZV-Diagrammen ganz gut zu erkennen. Schon bei relativ geringen Geschwindigkeiten wird die Steuerung im Normalfall vergleichsweise weit eingezogen und der Schieberkastendruck erhöht, um die Dampfdehnung im Zylinder besser ausnutzen zu können und damit effektiver zu fahren. Bei der Reko 41 dagegen wird planmäßig mit größeren Füllungen gefahren, weil die Zylinder für 20bar Kesseldruck ausgelegt und damit kleiner sind und das Triebwerk die Kesselleistung nur durch höhere Füllungen ausnutzen kann, was aber durch einen höheren Verbrauch erkauft wird.
Beim Anfahren soll die Steuerung weit ausgelegt werden, damit der Kraftverlauf am Rad möglichst gleichmäßig ist und ein kontrolliertes Anfahren ohne Schleudern stattfinden kann. Würde man mit kleiner Füllung anfahren, gäbe es ausgeprägte Kraftspitzen am Rad und die Lok neigt sehr viel schneller zum Schleudern, was natürlich zu vermeiden ist, da es Schäden am Triebwerk hervorrufen kann. Schleudert die Lok trotzdem, muss sofort der Regler geschlossen werden und darf erst wieder geöffnet werden, wenn das Schleudern vorbei ist. Keinesfalls darf in die schleudernden Räder gesandet werden !
Der Übergang von Lastfahrt in den Leerlauf gestaltet sich bei Loks mit Druckausgleichkolberschiebern, mit denen bei der DR und DB fast alle "größeren" Loks ausgerüstet waren ( Nikolai bzw. Karl-Schulz, Müller und Trofimoff), wie folgt: Steuerung auf 55% auslegen, Regler schließen und dann Steuerung auf 10% einziehen. Umgekehrt soll vor dem Dampfgeben aus dem Leerlauf heraus erst die Steuerung auf 0 gelegt werden.
Aus Erfahrungsberichten einiger Lokführer ist zu lesen, dass der Seitenzugregler auf der 50.35 ( ob andere Reko-Loks davon betroffen waren, wird nicht erwähnt ) wohl nicht gerade beliebt war, da sein Regelverhalten aufgrund des langen und oft umgelenkten Reglergestänges eher etwas mit russisch Roulette zu tun hatte, als mit gefühlvollem Anfahren.
Das alles habe ich mir aus verschiedenen Büchern und Regelwerken angelesen, aber leider nicht in der Praxis im wahrsten Sinne "erfahren" können. Ich hoffe, Lokfdr findet nicht allzu viele Fehler darin und ich konnte dem einen oder anderen etwas bei der vorbildgerechten Umsetzung seiner Dampflokfahrkünste helfen.
Gruß
Christoph